Austauschkapazität
Einführung
Der Ionenaustausch ist ein zyklisches Verfahren: die Ionenaustauscherharze laden Ionen aus dem Rohwasser oder aus der aufzubereitenden Lösung auf und sättigen sich allmählich. Wenn kein Platz mehr vorhanden ist, um weitere Ionen aufzuladen wird die Sättigungsphase eingestellt, und die Austauscher müssen regeneriert werden.
Die Ionenaustauschkapazität misst die Menge an Ionen, die ausgetauscht werden.
Definitionen
Totalkapazität
Die Totalkapazität stellt die Anzahl der Aktivgruppen dar, wo Ionenaustausch stattfinden kann. Siehe
Einzelheiten weiter unten.
Typische Kapazitätswerte werden auch angegeben.
Nutzbare Kapazität
Auf Deutsch wird die nutzbare Volumenkapazität als
NVK abgekürzt. Diese misst die Anzahl der Aktivgruppen, wo Ionenaustausch in der Sättigungsphase (des sog. Betriebslaufs) wirklich stattgefunden hat. Dieser Wert stellt auch die Anzahl der elektrischen Ladungen der ausgetauschten Ionen, aber nicht deren Anzahl, weil gewisse Ionen mehr als eine Ladung besitzen können. Die nutzbare Kapazität hängt von verschiedenen
Parametern ab.
Die Ionenaustauschkapazität wird in Äquivalenten pro Liter Harz, abgekürzt als val/L (in anderen Sprachen eq/L) ausgedrückt. Für den Ionenaustausch empfehle ich, die Einheit Mol ganz zu vermeiden, da diese die Valenz der Ionen nicht berücksichtigt und oft Berechnungsfehler verursacht. Zur Erinnerung: 1 val = 1 eq = 1 Mol / Valenz.
Die nutzbare Kapazität ist immer kleiner als die totale Kapazität. Nachstehend werden wir sehen, warum.
Austauschzone
Idealfall
Anfang des Betriebslaufs |
Mitte des Betriebslaufs |
Ende des Betriebslaufs |
In einer idealen Welt würden wir mit einem vollständig regenerierten Harzbett anfangen. Während des Betriebslaufs (Beladungsphase) würde die Austauschfront waagerecht und absolut flach sein, wobei jede infinitesimale Austauscherschicht sofort in eine total gesättigte Form umgewandelt würde indem sie die ankommenden Ionen auffängt. Diese flache Front würde gleichmäßig nach unten wandern wenn mehr Ionen geladen werden. Nach einiger Zeit würde die Front das untere Ende der Kolonne erreichen, und der Austauscher würde dabei völlig gesättigt sein. In diesem Fall würde die nutzbare Kapazität gleich sein mit der totalen Kapazität des Austauschers. Einen solchen Fall gibt es leider nicht in der Praxis, da die Austauchfront nicht flach ist, und der Austauscherharz am Anfang des Betriebslaufs nicht immer völlig regeneriert.
In der realen Welt müssen zwei verschiedene Fälle betrachtet werden:
Fall 1: Der Austauscher ist am Anfang des Betriebslaufs vollständig regeneriert
(WAC und WBA)
Anfang des Betriebslaufs |
Mitte des Betriebslaufs |
Ende des Betriebslaufs |
Bevor der Betriebslauf beginnt ist der Austauscher völlig regeneriert. Während der Beladungsphase werden die oberen Schichten zunehmend gesättigt. Jedoch verläuft die Austauschreaktion nicht augenblicklich, da die Ionen in den Ionenaustauscherharzteilchen ihren Weg finden müssen nach funktionellen Gruppen, die noch nicht besetzt sind, manchmal tief in der Harzperle. Dementsprechend wandern gewisse Ionen in eine untere Schicht des Harzbettes, bevor die oberen Schichten ganz gesättigt sind. Die Zone zwischen dem völlig gesättigten Austauscher und dem völlig regenerierten Austauscher wird Austauschzone genannt, wie in der obigen Abbildung ersichtlich.
Nach einer gewissen Zeit sind die oberen Schichten völlig gesättigt, und die unteren Schichten werden teilweise gesättigt. Die Ionen aus dem Rohwasser finden nicht alle einen Platz im Austauscher, und beginnen, in das aufbereitete Wasser zu "fliehen". Die Beladungsphase wird dann eingestellt, wenn dieser Ionenschlupf einen bestimmten festgelegten Wert erreicht, der als Endpunkt des Betriebslaufs genannt wird. An diesem Punkt ist das Austauscherbett nicht vollständig erschöpft.
Die nutzbare Kapazität ist also die Differenz der Beladung zwischen dem Anfang des Betriebslaufs und dem Endpunkt. Das Verhalten der Austauscher in diesem Fall 1 ist typisch für schwach saure (WAC) und schwach basische (WBA) Ionenaustauscherharze, welche mit einer minimalen Chemikalienmenge regeneriert werden können, einer Menge, die kaum die stöchiometrische Menge überschreitet. Die stöchiometrische Menge, in Äquivalenten ausgedrückt, entspricht exakt der Ionenbeladung eines Betriebslaufs. In der Praxis werden schwache Austauscher mit einem kleinen Überschuss an Regeneriermittel regeneriert. Siehe dazu die Seite über Regeneration.
Die typische nutzbare Kapazität eines schwach basischen Anionenaustauschers (WBA) beträgt 70 bis 90 % seiner Totalkapazität. Bei schwach sauren Kationenaustauschern (WAC) hängt die nutzbare Kapazität mit verschiedenen Parametern zusammen, so dass keine Schätzwerte gegeben werden können. Da diese Kationenaustauscher eine sehr hohe Totalkapazität aufweisen, und da sie fast stöchiometrisch, mit nur einem kleinen Säureüberschuss regeneriert werden (siehe Regenerationsverhältnis), ist ihre Anwendung zur Aufbereitung von Wässern, welche hohe Karbonathärte enthalten, sehr wirksam. Siehe auch die Seite über Wasseranalyse (auf Englisch).
Fall 2: Der Austauscher ist am Anfang des Betriebslaufs teilweise regeneriert
(SAC und SBA)
Anfang des Betriebslaufs |
Mitte des Betriebslaufs |
Ende des Betriebslaufs |
Diesen zweiten Fall findet man bei stark sauren (SAC) und stark basischen (SBA) Ionenaustauschern, welche sich nicht so leicht regenerieren lassen, da ein Überschuss an Säure bzw. Lauge dazu notwendig ist. Um diese Ionenaustauscher völlig zu regenerieren wäre dieser Überschuss unwirtschaftlich hoch, so dass sie in der Praxis unvollständig regeneriert werden. Die obigen Abbildungen betreffen ein Harzbett, das im Abstrom beladen und im Aufstrom regeneriert wird (Gegenstromregeneration).
Die damit erreichte nutzbare Kapazität beträgt 40 bis 70 % der Totalkapazität.
Fall 2b: Gleichstromregeneration
Anfang des Betriebslaufs |
Mitte des Betriebslaufs |
Ende des Betriebslaufs |
Das Regeneriermittel fließt in die gleiche Richtung wie das aufzubereitende Wasser: von oben nach unten. Daher werden die oberen Schichten des Harzbetts got regeneriert, die unteren Schichten aber nicht. Während der Beladungsphase wird ein Teil der sich im unteren Bett befindenden Ionen werden nach unten verdrängt und gelangen in das aufbereitete Wasser, wie in der Regenerationsseite beschrieben.
Wenn der Austauscher zum Beispiel mit Säure regeneriert wird, wandern einige der H+-Ionen, welche durch das Aufladen von Na+-Ionen freigesetzt werden, nach unten, und verdrängen die Na+-Ionen der unteren Schichten, die bei der vorherigen Regeneration nicht eluiert worden sind. Der Natriumschlupf ist somit viel höher als im Fall der Gegenstromregeneration.
Austauschkinetik
Schwach saure und schwach basische Ionenaustauscher (WAC & WBA) sind auf Durchflussgeschwindigkeit empfindlich: wenn der Durchfluss zunimmt wird die Austauschzone länger.
Niedriger Durchfluss: die Austauschzone ist kurz |
Hoher Durchfluss: die Austauschzone ist lang |
Bei einer kurzen Austauschzone ist die nutzbare Kapazität höher, weil ein größerer Teil der totalen Kapazität ausgenutzt werden kann, bevor der Schlupf auftritt.
Starke Austauscher (SAC & SBA) sind auf Durchflussgegschwindigkeit weniger empfindlich.
Im Allgemeinen haben Ionenaustauscherharze mit feiner Korngröße eine bessere Kinetik als grobe Harze. Dies ist besonders der Fall für schwach saure und schwach basische Austauscher (WAC und WBA), und ist darauf zurückzuführen, dass die Distanz, die die Ionen innerhalb der Harzkugeln zurückzulegen haben, ist kürzer.
Parameter, die die nutzbare Kapazität beeinflussen
Die nutzbare Kaâzität hängt mit verschiedenen Parametern zusammen. Die wichtigsten davon sind:
- Konzentration und Typ der zu entferdenden Ionen
- Betriebsgeschwindigkeit
- Temperatur
- Typ, Konzentration, Menge und Durchflussgeschwindigkeit des Regeneriermittels
- Regenerationsmethode (Gegenstrom oder Gleichstrom)
- Betthöhe (nur bei Gegenstromregeneration)
- Korngröße der Ionenaustauscher
Die Hersteller der Ionenaustauscherharze veröffentlichen technische Daten, mit welchen die nutzbare Kapazität ihrer Produkte unter gängigen Betriebsbedingungen errechnet werden kann. Viele von ihnen haben auch Computerrogramme zu diesem Zweck entwickelt. Ich selbst habe das IXCalc genannte Rohm and Haas Programm entwickelt, das jetzt von Dow Water and Process Solutions verteilt wird.
Messung der Totalkapazität
Die Totalkapazität eines Ionenaustauscherharzmusters wird durch Titration ermittelt, und das Ergebnis wird in val/L (eq/L) ausgedrückt. Die Methode erfordert eine Messung des Volumens des Harzmusters, und muss unter wohldefinierten Bedingungen durchgeführt werden. Da das Volumen mit der Ionenform des Austauschers zusammenhängt (siehe den entsprechenden Abschnitt in den Harzeigenschaften), muss diese Ionenform bei jeder Messung unbedingt angegeben werden.
Die Trockenmasse-Kapazität (auch Gewichtskapazität genannt) des Musters muss auch nach dessen Trocknung ermittelt werden. Diese Trockenmasse-Kapazität misst die Konzentration der Aktivgruppen pro Kilogramm Austauscher, ohne die Feuchtigkeit zu berücksichtigen. Sie wird in val/kg (eq/kg) Trockensubstanz ausgedrückt. Die Ionenform des Harzmusters muss auch in diesem Fall angegeben werden, da verschiedene Ionen eine verschiedene Masse besitzen.
Die Trockenmasse-Kapazität ist aus folgenden Gründen wichtig:
- Bei neuen Austauschern gibt sie Auskünfte über das Aktivationsverfahren des Ionenaustauscherharzes. Wenn zum Beispiel alle Benzolringe eines stark sauren Ionenaustauschers richtig sulfoniert worden sind beträgt die Trockenmasse-Kapazität ungefähr 5,5 val/kg in der H+-Form.
- Bei gebrauchten Austauschern gibt sie Informationen über eine mögliche Vergiftung (Fouling) des Harzes: ein vergifteter Austauscher enthält Fremdstoffe, die seine Masse erhöhen, und daher seine Trockenmasse-Kapazität erniedrigen (Anzahl Aktivgruppen je Masseneinheit), auch wenn der Austauscher keine Aktivgruppen verloren hat.
Kapazitätswerte in der Praxis
In den vorigen Abschnitten dieser Seite wurde gezeigt, dass die nutzbare Kapazität (NVK) eines Ionenaustauschers eine Fraktion dessen totalen Kapazität beträgt. Die NVK wird auch in val/L (eq/L) angegeben, und ergibt die Menge der Ionen (eigentlich die Anzahl der elektrischen Ladungen) die in einem Betriebszyklus ausgetauscht werden können.
Die nächste Tabelle zeigt typische Werte der totalen und nutzbaren Kapazität verschiedener Austauschertypen. Alle Werte sind in val/L, die üblichsten in eckigen Klammern.
Austauschertyp* |
Totalkapazität |
Nutzbare Kapazität |
WAC (schwach sauer) |
3,7 bis 4,5 [4,2] |
1,0 bis 3,5 |
SAC (stark sauer) |
1,7 bis 2,2 [2,0] |
0,6 bis 1,7 |
WBA (schwach basisch) |
1,1 bis 1,7 [1,3] |
0,8 bis 1,3 |
SBA (stark basisch) |
0,9 bis 1,4 [1,2] |
0,4 bis 0,9 |
*Siehe Abkürzungen und Austauschertypen (auf Englisch)
Beispiel
Betrachten wir einen stark sauren Kationenaustauscher (SAC) bei der Enthärtung eines Wassers mit 4,4 mval/L (12,3 °dH) Härte und mit einer nutzbaren Kapazität — unter bestimmten Betriebsbedingungen — von 1,1 val/L = 1100 mval/L.
Jedes Liter dieses Austauschers kann 1100 / 4,4 = 250 Liter Wasser aufbereiten, bevor es regeneriert werden muss. Es bedeutet, dass der Durchsatz (Produktionsmenge) zwischen zwei Regenerationen 250 Bettvolumina (BV) beträgt. Wenn die Härte höher ist wird der Durchsatz kleiner, und umgekehrt. Siehe auch Konzentrations- und Kapazitätseinheiten.